Bezüglich der Ausprägung der allgemeinen Intelligenz gibt es keine bedeutsamen Geschlechtsunterschiede: es gibt ca. gleich viele hochbegabte Mädchen wie Jungen. Dennoch wird bei Mädchen das Vorliegen einer Hochbegabung viel seltener erkannt. Es werden ca. zwei bis dreimal so viele Jungen wie Mädchen bei Hochbegabtenberatungsstellen zur Untersuchung ihrer intellektuellen Fähigkeiten vorgestellt.
Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich hochbegabte Mädchen in der Regel angepasster und unauffälliger verhalten als hochbegabte Jungen. Sie haben beispielsweise weniger „spektakuläre“ Interessen und stören seltener als Jungen im Kindergarten und in der Schule. Auf Unterforderung reagieren sie häufig mit Rückzug, Depressionen oder psychosomatischen Beschwerden. Hochbegabte Mädchen neigen zudem verstärkt dazu, sich den Erwartungen ihrer sozialen Umwelt anzupassen, da sie aufgrund ihrer höheren sozialen Sensibilität Ablehnungen sowie ihre Andersartigkeit intensiv wahrnehmen. Es ist den Mädchen z.B. häufig wichtig, ihren Freundinnen zu gleichen, was ihnen aufgrund einer höheren Sozialkompetenz besser als Jungen gelingt.
Hochbegabte Mädchen, die nicht wissen, dass sie hochbegabt sind, zeigen weniger Vertrauen in ihre eigene intellektuelle Leistungsfähigkeit und neigen dazu ihre Möglichkeiten zu unterschätzen. Gute Leistungen und Erfolge führen sie oftmals auf Anstrengung, Glück oder die Aufgabenleichtigkeit zurück. Hochbegabte Jungen hingegen werten ihre Leistungen eher auf, überschätzen ihre Fähigkeiten und führen ihre Leistungen meist auf ihre (hohe) Begabung zurück. Als hochbegabt identifizierte Mädchen unterscheiden sich in ihrer Selbstdarstellung hingegen nicht von den Jungen. Daher ist ein (frühes) Erkennen einer Hochbegabung bei Mädchen besonders bedeutsam. Neben einer angemessen hohen intellektuellen Förderung sind für die Mädchen dabei zudem eine Stärkung ihres Selbstkonzepts sowie der Austausch mit anderen (hoch) begabten Mädchen/Kindern wichtig.